Beiträge von begnadigt

    Hallo zusammen,

    vor kurzem stieß ich auf dieses Forum und habe in der Zeit seitdem eine Menge der hier diskutierten Themen mit großem Interesse gelesen.
    Heute habe ich mich dann auch mal angemeldet, denn schon seit Längerem beschäftigt mich eine Frage; es geht um einen Begriff, der (nach meinem Kenntnisstand) erst seit einiger Zeit unter uns Christen kursiert: „Christusähnlichkeit“ Ich habe mit dem Begriff so, wie er oft benutzt wird (dazu später mehr) enorme Schwierigkeiten; jedes Mal wenn ich ihn höre, muss ich die Nase rümpfen…
    Ich habe viel darüber nachgedacht und habe auch eine m.E. plausible Lösung für mich gefunden. Nun, ist es dann nicht müßig, dieses Thema zu eröffnen? Nein, denn viele der Geschwister, die den Begriff „Christusähnlichkeit“ benutzen, sind von mir hochgeschätzte Brüder und Schwestern, Vorbilder und Respektpersonen, deren Erfahrung + Bibelkenntnis wesentlich größer ist als meine eigene, daher ziehe ich es in Betracht, dass ich auf dem Holzweg bin. Ich bin korrekturbereit und freue mich, wenn man sich hier rege beteiligt; sicherlich bin ich auch nicht beleidigt, wenn jemand auf plausible Art und Weise die nachstehende Erörterung widerlegt.

    Man verwendet diesen Begriff häufig als einen Gradmesser für den geistlichen Zustand eines Christen; früher nannte man meines Wissens einen geistlich (im Gegensatz zu fleischlich/irdisch/gesetzlich) eingestellten Menschen „geistlich“, heute sagt man „christusähnlich“. Auch hört man ihn oft in Verbindung mit der Aussage: Unser Leben soll darauf ausgerichtet sein, dass wir Jesus ähnlicher werden.
    Soll es das wirklich? Nun, zunächst finde ich keinen Hinweis darauf in der Schrift. Aber zunächst mal abgesehen davon; soll ich mein Leben darauf ausrichten, ein Ziel zu erreichen, dass ich doch niemals erreichen werde? Es ist doch klar, dass ich niemals so werde wie Jesus, ich denke da gibt’s kein Vertun! Ist es wirklich Gottes Wille, dass ich mich nach etwas ausstrecke, was ich nie schaffen kann? Ist Gott so ein Vater? Wenn er das ist, dann ist das so, als stünde der Vater mit seinem Sohn an der Nordsee und er würde sagen: „Hier Sohnemann, ich möchte, dass du mit diesem Teelöffel die Nordsee leer machst.“ Nein, das tut Gott nicht!
    Ich glaube das Missverständnis liegt bei zwei Bibelstellen, die in diesem Zusammenhang oft ungerechtfertigterweise zitiert werden:

    „Denn welche er zuvorerkannt hat, die hat er auch zuvorbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.“ Rö 8,29


    und

    „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist.“ 2 Kor 3,18

    Man nimmt diese beiden Verse und belegt damit „Christusähnlichkeit“. Ich finde hier aber keine Ähnlichkeit, sondern Gleichheit!! „gleichförmig“ und „nach demselben Bild“. Jetzt ist also alles noch hoffnungsloser? Ich soll Jesus nicht nur ähnlich werden, ich soll Ihm sogar gleich werden? Ich denke uns allen ist klar, dass das nicht möglich ist; somit ist Christsein also nichts anderes, als der klägliche Versuch, etwas zu werden, was man nicht werden kann, schade aber auch…
    Glücklicherweise geht es eben nicht darum, dass ich Jesus ähnlich werde. Ich nähere mich jetzt der Kernproblematik. Ich denke wir müssen gut unterscheiden (und das wird leider oft nicht getan!) zwischen ich und ich. Ich ist einmal ein Mensch, der niemals etwas Gutes tun wird nach Rö 7,18 und ich ist andererseits ein Mensch, der in Neuheit des Lebens (Rö 6) wandelt. Ersterer kann nicht so werden wir Christus und Letzterer muss nicht so werden wie Christus, denn es ist das Leben des auferstandenen Christus, dass schon in ihm lebt (Gal 2,20; Kol 1,27; Rö 8,10).
    Vielleicht macht ein Vergleich das Ganze ein bisschen deutlicher: Der Mensch ist eine leere Klarsichthülle; in dieser Klarsichthülle befindet sich ein Blatt Papier; dieses Papier ist verschmutzt wegen der Sünde. Christus hingegen ist – mit Ehrfurcht gesagt – eine Klarsichthülle, in der sich ein vollkommen weißes Blatt befindet. Der Mensch nun, der Christus ähnlich werden will, versucht alles daran zu setzen, dass sein Blatt mehr und mehr so aussieht wie das Blatt Christi. Entweder er versucht es aus eigener Kraft, (doch dann ist er kein Christ, sondern einer der meint, dass ihn seine Werke retten) oder aber er weiß schon, dass er Gottes Hilfe braucht und bittet deshalb: „Hilf mir, dir ähnlicher zu werden.“ Ich verstehe allerdings den eigentlichen Plan Gottes so: Der Mensch nehme sein schmutziges Blatt aus der Klarsichthülle heraus und das reine Blatt Christi hinein. Das, was dann sichtbar wird, ist zwar dasselbe: Ein Mensch, der Christus gleich ist, doch hat es nichts damit zu tun, dass eine Mensch besser wurde, sondern dass Christus in einem Menschen Gestalt gewonnen hat!! (Gal 4,19!)
    Ist das denn nicht Haarspalterei? Ich denke nicht, denn es wirft eine völlig neue Perspektive auf mein ganzes Leben: Ich muss nicht versuchen, etwas zu werden, was ich niemals werden kann, sondern darf annehmen, dass ich zu etwas gemacht worden bin, was ich niemals hätte werden können. Aber es geht eben nicht darum, dass ich besser wurde, sondern dass ich ersetzt wurde!
    Um jetzt den Bogen zurück zu schlagen; Christusähnlichkeit ist kein grundfalscher Begriff, doch muss er unbedingt erläutert werden! Ich werde niemals auch nur annähernd so sein wie Jesus und doch wird man (hoffentlich) immer mehr an mir von Jesus sehen, doch hat das weniger mit meiner Christusähnlichkeit, als vielmehr mir SEINER „Christusähnlichkeit“ (und an dieser Stelle ist es dann logischerweise überflüssig, diesen Begriff zu verwenden) zu tun.

    Ich habe grade noch ein Zitat gefunden, dass den Unterschied zwischen ich und ich auch schön deutlich macht: „In jedem Herzen ist ein Thron und ein Kreuz. Wenn Christus auf dem Thron ist, ist das Ich am Kreuz; und wenn das Ich – auch nur ein klein wenig – auf dem Thron sitzt, ist Jesus am Kreuz im Herzen dieses Menschen. Wenn Jesus den Thron innehat, wirst du dahin gehen, wohin Er dich führt. Jesus auf dem Thron verherrlicht jede Arbeit und jeden Ort.“ (William Borden)

    Zum Schluss noch eine These: Falsch verstandene Christusähnlichkeit ist das Kernproblem von Römer 7, während richtig verstandenes Christuserfülltsein die Tragweite von Römer 8 ausmacht.

    In der Hoffnung auf Reaktion…