Hallo,
ich bin gerade über google auf diesen Thread gestoßen und dachte, ich meld mich mal an und sag etwas dazu. Ich weiß, dass lange Beiträge für viele Forennutzer nervig sind, aber ich bitte in diesem Fall um Nachsicht, weil das Thema wirklich komplex ist und selbst eine knappe Darstellung mehr als 2 Sätze benötigt, wenn man der Sache auch nur Ansatzweise gerecht werden will. Bisher scheint es ja hier unter den Forenmitgliedern eine recht einheitliche Meinung zu geben. Deshalb will ich so kurz wie möglich und so lang wie nötig eine Position darstellen, die hier noch nicht aufgetaucht ist. Der Beitrag wird etwas länger als sonst üblich ausfallen, was man bei dieser Thematik nicht verhindern kann und wer ihn durchgelesen hat und sich noch nicht groß mit der Materie beschäftigt hat, wird noch viele Fragen haben, die hier unbeantwortet bleiben. Aber ich hoffe, dass es ausreicht, einen guten Überblick zu geben und einige Anstöße zum Nachdenken bereitet.
Ich hab vor fast 2 Jahren angefangen mich mit dem Thema zu beschäftigen und seit dem hat es mich sehr (zum Positiven) verändert und tut es noch weiterhin. Ich war vorher der Lehre von der bedingungslosen Erwählung Gottes gegenüber sehr abgeneigt und hielt das für absoluten Unfug. Ich war mir sicher, dass wir Menschen es (mit Gottes Hilfe) sind, die darüber bestimmen ob wir in den Himmel kommen. Meine Einstellung hat sich zum Gegenteil gewendet. Ich habe herausgefunden, dass die Bibel tatsächlich lehrt, dass man allein aus Gnade gerettet wird ohne eigenes Zutun, auch wenn dieses Tun noch so klein wäre. Wenn ich mich mit jemandem vergleiche, der nicht gerettet ist, dann kann ich nur auf Gottes Gnade hinweisen, nicht auf meine ihm überlegene Geistlichkeit, Sündenerkenntnis, Kindheit oder ähnliches.
Bevor ich auf die Erwählungslehre komme, möchte ich noch ein wenig weiter ausholen. Bevor man von Erwählung spricht, muss man darüber sprechen, was sie verursacht. Warum ist Erwählung nötig? Wie jeder Christ weiß, sind die Menschen seid dem Sündenfall alle unter der Sünde. Römer 1-3 erklärt sehr ausführlich, dass es keine guten Menschen gibt und dass alle Menschen von Gott abgefallen sind.
Röm 3,9-20
"Was nun? Haben wir einen Vorzug? Durchaus nicht! Denn wir haben sowohl Juden als auch Griechen vorher beschuldigt, dass sie alle unter der Sünde seien, 10 wie geschrieben steht: "Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; 11 da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der Gott sucht. 12 Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist keiner, der Gutes tut, da ist auch nicht einer." 13 "Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handelten sie trügerisch." "Viperngift ist unter ihren Lippen." 14 "Ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit." 15 "Ihre Füße sind schnell, Blut zu vergießen; 16 Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen, 17 und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt." 18 "Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen." 19 Wir wissen aber, dass alles, was das Gesetz sagt, es denen sagt, die unter dem Gesetz sind, damit jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sei. 20 Darum: Aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden; denn durchs Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde."
In Römer 8 lesen wir dann folgendes:
"Denn die, die nach dem Fleisch sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber, die nach dem Geist sind, auf das, was des Geistes ist. 6 Denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden, 7 weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie kann das auch nicht. 8 Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen."
Das gleiche lesen wir in Epheser 2,1-3:
"Auch euch hat er auferweckt, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden, 2 in denen ihr einst wandeltet gemäß dem Zeitlauf dieser Welt, gemäß dem Fürsten der Macht der Luft, des Geistes, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt. 3 Unter diesen hatten auch wir einst alle unseren Verkehr in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten und von Natur Kinder des Zorns waren wie auch die anderen."
Wir Menschen sind allesamt Kinder des Zorns, die nicht auf Gott hören wollen, sondern gegen den Schöpfer rebellieren. Das ist nicht einfach nur ein kleines Problemchen, sondern wirklich bösartig. Deshalb steht in 1. Mo 6,5 auch:
"Und der HERR sah, dass die Bosheit des Menschen auf der Erde groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag."
So bleibt uns nur die gerechte Verdammnis die wir verdienen. Gott ist vollkommen gerecht und kann in uns nichts finden, was ihm gefällt. Wir sind verdorbene Kreaturen. Wenn das alles wäre, sähe es schlecht für uns aus. Aber Gott hat in großer Gnade einen anderen Plan gefasst. Er hat sich vorgenommen eine Anzahl Menschen von ihren Sünden zu retten, ganz ohne deren Verdienst und nur aus seiner eignen Gnade heraus. Gnade beinhaltet bereits, dass der Empfänger derselben sie nicht verdient. Gottes Gnade ist aber niemals unabhängig von seinen anderen Eigenschaften und deshalb muss er seinen Sohn stellvertretend bestrafen. Erst damit ist Gnade und Gerechtigkeit gleichzeitig möglich. Gott hat als Mittel für den Empfang dieser Gnade den Glauben eingesetzt. Das bedeutet, dass unser Glaube nicht die Ursache der Rettung ist, sondern umgekehrt. Die Rettung verursacht den Glauben. Gott hat sich eine große Schar von Menschen erwählt, denen er rettenden Glauben schenkt. Keiner von ihnen hat es verdient, sondern alle sind allein von Seiner Gnade abhängig.
Deshalb führt Paulus in Eph 2,4-10 seinen Gedankenang folgendermaßen fort:
"Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, hat um seiner vielen Liebe willen, womit er uns geliebt hat, 5 auch uns, die wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht - durch Gnade seid ihr gerettet! 6 Er hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in der Himmelswelt in Christus Jesus, 7 damit er in den kommenden Zeitaltern den überragenden Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erwiese in Christus Jesus. 8 Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; 9 nicht aus Werken, damit niemand sich rühme. 10 Denn wir sind sein Gebilde, in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken, die Gott vorher bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen."
Unsere Rettung ist von Anfang an Gottes Gabe und das schließt auch den rettenden Glauben mit ein. Wir waren tot in Sünden, aber Gott hat uns aus Gnade lebendig gemacht. Da kam nichts aus uns, sondern es war Seine Gabe. Und das ist der Grund dafür, warum wir als Gläubige froh sein können. Wir haben unsere Errettung nicht bewirkt, deshalb werden wir sie auch nicht erhalten können. Gott bewirkt und erhält die Errettung. Paulus schreibt zu den Philippern: "Ich bin ebenso in guter Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Christi Jesu." (Phil 1,8)
Unsere Errettung ist nur sicher, weil Gott sie selbst in der Hand hat und nicht wir. Wir Menschen würden die Errettung in Windeseile wieder fallen lassen, wenn es an uns läge. Nur die Gnade hält uns. Diese Lehre gibt Gott alle Ehre und uns alle Hoffnung.
Für Paulus war diese Lehre sogar der Antrieb seines Dienstes:
2Tim 2,10 "Deswegen erdulde ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie die Rettung, die in Christus Jesus ist, mit ewiger Herrlichkeit erlangen."
Er wusste, dass Gott seine Erwählten hat und konnte deshalb freimütig das Evangelium predigen und brauchte die Botschaft nicht zu verwässern, aus Angst sich unbeliebt zu machen. Er wusste, dass Gott seine Erwählten durch die "Torheit der Predigt" retten will:
1. Kor 1,17
Denn Christus hat mich nicht ausgesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkündigen: nicht in Redeweisheit, damit nicht das Kreuz Christi zunichte gemacht werde. 18 Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir gerettet werden, ist es Gottes Kraft. 19 Denn es steht geschrieben: "Ich werde die Weisheit der Weisen vernichten, und den Verstand der Verständigen werde ich verwerfen." 20 Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortstreiter dieses Zeitalters? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? 21 Denn weil in der Weisheit Gottes die Welt durch die Weisheit Gott nicht erkannte, hat es Gott wohlgefallen, durch die Torheit der Predigt die Glaubenden zu retten. 22 Und weil denn Juden Zeichen fordern und Griechen Weisheit suchen, 23 predigen wir Christus als gekreuzigt, den Juden ein Ärgernis und den Nationen eine Torheit; 24 den Berufenen selbst aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. 25 Denn das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes ist stärker als die Menschen. 26 Denn seht, eure Berufung, Brüder, dass es nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle sind; 27 sondern das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, damit er das Starke zuschanden mache. 28 Und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt, das, was nicht ist, damit er das, was ist, zunichte mache, 29 dass sich vor Gott kein Fleisch rühme. 30 Aus ihm aber kommt es, dass ihr in Christus Jesus seid, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung; 31 damit, wie geschrieben steht: "Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!"