Hi @ all
Nach den vielen Vorreden will ich doch mal mit dem eigentlichen Zweck dieses threads anfangen …
Der „ungläubige“ Thomas?!
Was fällt einem ein, wenn man an Thomas denkt?! Jünger wie Petrus, Johannes o. Jakobus sind vielen ein Begriff, aber Thomas…? Ja, da hat man doch schon mal was gehört. Der „ungläubige Thomas“ mag einem als Sprichwort schon mal vor die Lauscher gekommen sein.
Und es ist doch so: meistens denkt man als erstes und oft auch einziges daran, wie der HERR Jesus nach seiner Auferstehung zum 2. Mal den Jüngern erschien, und Thomas dann seine Hände in die Wundenmahle des HERRN legte und erst dann glaubte, dass es wirklich der HERR war. (Daher das Sprichwort „ungläubiger Thomas“)
Ich persönlich verband mit Thomas deshalb nichts Gutes. Bei diesem Jünger dachte ich sofort an Unglauben/Kleinglauben, Zweifel, sowie Pessimismus.
In diesen Eigenschaften kann ich mich leider häufig wieder finden. Gerade deshalb habe ich ihn mir aber einmal vorgenommen. Jedes der 4 menschlichen Temperamente hat ja Schwächen UND Stärken. Thomas würde ich mal als überwiegenden Melancholiker einstufen.
1. still, ruhig, unauffällig
Im Mt-, Mk-, und Lk-Evangelium tritt Thomas - genauer sein Name - jeweils 1x in Erscheinung (Mt10,3/Mk3,18/Lk6,15)! Nur im Johannesevangelium kommt er auch mal zu Wort. Spärliche 3 Situationen werden berichtet. Im Vergleich zu Petrus o. Johannes könnte man also sagen, Thomas war ein eher ruhiger Typ.
2. pessimistisch, aber auch mutig
Joh11 ist die erste Situation, wo Thomas kurz die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Im Kapitel davor war der HERR in Jerusalem, wo man ihn steinigen wollte (Joh10,31) Als man es ein 2tes Mal versuchte (V.39) verließ er mit seinen Jüngern die Stadt.
Und nun wird der HERR kurz darauf zurück nach Bethanien (gar nicht weit von Jerusalem) gerufen, denn der geliebte Lazarus ist krank. Zwar wartet der HERR noch 2 Tage, aber dann möchte er aufbrechen. Doch die Jünger protestieren/sind entsetzt: „Rabbi, eben suchten die Juden dich zu steinigen, und wieder gehst du dahin?“ (Joh11,8 ) Obwohl der geliebte Lazarus (wie sie meinen) krank ist, herrscht gewiss ne Menge Unstimmigkeit. Als nun der HERR klarstellt, dass Lazarus tot ist und er mit ihnen nach Bethanien gehen will, schaltet sich Thomas ein.
„Da sprach Thomas, der auch Zwilling genannt ist, zu den Mitjüngern: Lasst auch uns gehen, dass wir mit ihm sterben.“ (Joh11,16)
Ein typischer Satz für einen Schwarzseher. „Wir werden alle sterben“ o.ä. Kein bisschen Optimismus, von wegen „mit unserem HERRN wird uns nichts geschehen“ oder „Bethanien ist weit genug von Jerusalem entfernt“ usw. Er sah nichts anderes als eine Katastrophe vor sich liegen und war überzeugt, dass Jesus direkt in seine Steinigung hineinlief. Und doch… trotz Pessimismus, vermutl. eigenen inneren Ängsten u schlimmsten Befürchtungen überwindet er sich selbst!! Hat Mut und richtet diesen auch an die Mitjünger! Es ist beachtlich, wie jemand über die eigene Furcht und Ängste der Mitjünger hinauswächst und selbst zum Sterben bereit ist. Er ist zu allem bereit, wohin der HERR gewillt ist zu gehen, was wiederum Stärke ausdrückt!!
Ich denke, dass er damit auch die anderen motiviert hat, dann doch mit nach Bethanien zu gehen.
Und was war? Nicht ein Stein traf den HERRN, nicht ein Stein den Thomas oder einen der anderen Jünger. Sie erlebten im Gegenteil ein Wunder, als der HERR den Toten wieder zum Leben erweckte.
Wie oft macht man sich Gedanken darum, was, wie, wo alles Schlimnmes passieren kann … Gott sieht weiter, er hält alle Fäden in der Hand. Er kennt mein Gestern, mein Heute, mein Morgen.
3. innige Liebe zum HERRN
Nicht nur Johannes pflegte eine vertraute Liebe zum HERRN. Wie wir aus der obigen Situation schließen können, pflegte auch Thomas offensichtlich eine tiefe Hingabe an Christus, die selbst sein Pessimismus nicht aufhalten konnte. Er hatte sich mit diesem Satz (Joh11,16) Christus ausgeliefert! IHM wollte er bis in den Tod folgen. Auch wenn er fürchtete gesteinigt zu werden, lieber mit dem HERRN sterben, als alleine ohne ihn weiter leben zu müssen!
Seine tiefe Liebe für den HERRN zeigt sich auch in Joh14. Hier spricht der HERR von seinem bevorstehenden Weggang. „Ich gehe hin euch eine Stätte zu bereiten“ (Joh14,2). „Und wo ich hingehe, wisset ihr, und den Weg wisset ihr“ (V.4) Und ebenso wie Petrus im Kapitel zuvor, schaltet sich Thomas ein.
„HERR, wir wissen nicht, wo du hingehst, und wie können wir den Weg wissen?“ (Joh14,.5)
Sein Pessimismus tritt wieder hervor. Du willst uns verlassen. Und wir kommen nie dahin, wo du bist... Wir wissen nicht einmal, wie wir dahin kommen können.
Seine Frage klingt verzweifelt. Wohin will der HERR?! Warum will er uns zurück lassen? Wie sollte ich ohne ihn weiter leben können?!! Es ist dem Thomas das dringendste Bedürfnis heraus zu finden, wie er schnellstmöglich dem HERRN folgen kann! Seine völlige Liebe zum HERRN und seine Hilflosigkeit ohne den HERRN lässt sich nur erahnen.
Wenn er aber nicht gefragt hätte, würde dann das Selbstzeugnis des HERRN „ICH BIN der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, als nur durch mich.“ in der Bibel stehen?
Wie oft ist dieser Vers schon weitergegeben worden, um den klaren, einzigen Weg deutlich zu machen. Kein Weg in den Himmel, kein Weg zum Frieden mit Gott als nur durch Jesus Christus allein!
Danke, Thomas, dass du gefragt hast. Danke, HERR, für deine Antwort!
4. melancholisch
Und dann erfüllen sich Thomas’s schlimmste Befürchtungen. Jesus Christus stirbt am Kreuz, er aber bleibt lebend zurück. Thomas, der bereit war mit dem HERRN zu sterben, zieht sich völlig zurück. Obwohl sich die Jünger alle zusammen versammeln (vllt um einander zu trösten) ist Thomas nicht dabei. (Joh20,24). Möglicherweise war er so verzweifelt und niedergedrückt, so voll tiefer Trauer, so am Boden zerstört, dass er sich ganz zurück gezogen hat. Er mied die Nähe der Menschen, in seiner trostlosen Stimmung wollte er allein sein.
Selbst als die Jünger ihm außer sich berichten: „Wir haben den HERRN gesehen“ (V.25) konnten sie ihn nicht aus seinem hoffnungslosen Zustand rausholen.
„Er aber sprach zu ihnen: Es sei denn dass ich in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meine Finger in das Mal der Nägel lege, und lege meine Hand in seine Seite, so werde ich nicht glauben.“(Joh20,25)
Wegen dieser Worte erhielt er den Spitznamen „ungläubiger Thomas“.
Stand er mit seinen Zweifeln denn alleine da? Nein, denn die restlichen Jünger waren nicht anders. Sie glaubten Maria Magdalena nicht, als sie berichtete, dass sie den HERRN gesehen hatte (Mk16,10-11). Und ebenso glaubten sie den beiden Jüngern nicht, die nach Emmaus gingen. (Mk16,13)!
In Joh20,20 erscheint der HERR dann ihnen selbst, und als er ihnen „die Hände und Seite zeigte“ glaubten sie erst!!
Was den Thomas von den anderen zehn Jüngern unterscheidet, war nicht sein Zweifel, sondern seine größere Trauer, denke ich.
Doch acht Tage später (Thomas hat sich wohl soweit wieder gefangen und ist bei den Jüngern) erscheint der HERR wieder und zeigt dem Thomas sogleich seine Wundenmahle. Der HERR war äußerst freundlich zu ihm. Thomas irrte sich, weil er ein mehr oder weniger großer Pessimist war. Aber es war der Irrtum einer tiefen Liebe. Deshalb ging Jesus liebevoll mit ihm um. Er kennt unsere Schwachheiten (Hebr 4,15) und versteht daher unsere Zweifel. Er hat Verständnis für unsere Unsicherheit und Geduld mit unserem Pessimismus. Die tiefe Verzweiflung von Thomas bewies seine Liebe zum HERRN.
Anschließend sprach Thomas die wohl bewegendsten Worte, die den Aposteln wahrscheinlich je über die Lippen kamen: „Mein HERR und mein Gott!“ (Joh20,28 ). Jemand, der Christi Gottheit anzweifelt, sollte einmal Thomas begegnen!
Ich für mein Teil freue mich, Treue, Liebe und Hingabe bis in den Tod bei Thomas entdeckt zu haben. Darin ist er ein Vorbild und man kann wirklich mit der einseitigen Bezeichnung „ungläubiger Thomas“ Schluß machen. Das beurteilt ihn falsch und drückt ihm einen Stempel auf, der einfach falsch ist!
Kann jemand was ergänzen/korrigieren?
Herzlichen Gruß, Greeny =]