Eine Alternative zur Ablehnung des Glaubens im Namen der Moderne ist der Weg der Einheit, den das Christentum anbietet, sagt der ägyptische Jesuit Samir Khalil Samir.
Beirut (http://www.kath.net,dt)
Den Terrorismus muss man bekämpfen, nicht aber den Islam. Darauf machte der ägyptische Jesuit Samir Khalil Samir im vierten Teil seiner Vorträge über den Islam und den Westen („Der Islam und der Westen“) in Beirut aufmerksam, den die Nachrichtenagentur AsiaNews veröffentlichte. Um den Islam von seinem Fundamentalismus zu befreien, sei es notwendig, dass Muslime den Christen im Westen begegnen und von ihnen lernen, wie man den Glauben in der Moderne leben kann, ohne ihn zu verleugnen. Das lebendige Zeugnis der Christen ist seiner Ansicht nach der richtige Ansatz im Kampf gegen Terrorismus.
Hoffnung für die islamische Welt könne nur von einem Islam kommen, „der sich in den Westen, genauer gesagt in Europa, inkulturiert hat“, ist der Dozent für orientalische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Saint-Joseph in Beirut überzeugt. „Der einzige Weg, damit der Islam einen Platz in der modernen Welt bekommt, ist der, dass er die Moderne mit seinem kritischen Geist und seiner Unterscheidung zwischen Religion und Politik, Vernunft und Emotionen aufnimmt“, und zwar in dem Sinne, „dass er sich verwestlicht, ohne den Glauben zu verleugnen“, meint er.
Muslime müssen sich inkulturieren
Zwar gebe es viele Muslime, die sich der westlichen Gesellschaft angepasst haben – allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Sie hätten nicht verstanden, dass es sich beim Glauben um eine innere Überzeugung handelt, meint Samir. Solange es ihnen nicht gelänge, „eine Synthese zwischen Islam und Moderne zu bilden, werden sie einem fundamentalistischen Imam folgen, wenn dieser kommt“.
Zur Integration der Muslime in den Westen tragen aber die Christen entscheidend bei. Samir glaubt, sie könne nur dann gelingen, wenn sie „christliche Menschen im Westen finden, für die die Religion eine Sache der Kraft ist, gerade um sich der Moderne anzupassen“. Ein Christ, der Glaube und Moderne vereint, könne auch einem Muslim helfen, diese Harmonie zu bilden.
Allerdings nehme „ein Teil des Westens gegenüber der muslimischen Welt eine Haltung vollkommener Geschlossenheit ein“, moniert er. Die Menschen würden sich jedem Dialog verschließen und die Muslime so in ihren Fundamentalismus zurückfallen. Und wenn im „atheistischen Westen“ nur eine „Hilfe unter Atheisten finden, von jenen, die sagen, dass es dort die Religion nicht geben wird, lehnen sie ihn ab“, erklärt er die Zusammenhänge.
Nach Samir können Muslime in der Begegnung mit Christen entdecken, dass das Christentum durch die Inkarnation Himmel und Erde, Göttliches und Menschliches, Religion und Wissenschaft vereint hat. Das sei kein Widerspruch. Zwar könne das für Muslime eine Herausforderung sein, die Synthese von Glaube und Moderne aber nicht unmöglich machen.
Die unmittelbare Identifikation zwischen Religion und Politik in muslimischen Ländern legitimiert den Staat, denjenigen rechtlich als minderwertig zu betrachten, der nicht der islamischen Religion angehört. Darin liegt der Grund für die Ablehnung des Westens. Ein Dialog wird erst dann möglich, wenn Muslime den Unterschied zwischen Religion und Säkularität entdecken.
Zum Hintergrund der Kluft zwischen Christentum und Islam erklärt Samir, für viele sei das tragische Ereignis der Anschläge auf die Twin Towers in New York vom 11. September 2001 „ein Zeichen für das Aufkommen eines Konflikts zwischen Zivilisationen, zwischen dem Islam und dem Westen, zwischen Islam und Christentum“ gewesen. Seiner Meinung nach aber könne man nicht von einem Krieg der Zivilisationen oder einem Akt gegen das Christentum sprechen.
Krieg gegen den Westen kann es nicht geben
Immer schon habe es „ein Aufeinanderprallen von Zivilisationen gegeben“, führte er aus. „Die Sache ist, dass das Wort ,Zusammenprall’ in der Welt der Terroristen zu einem Synonym für ,Krieg’ geworden ist“, erklärt der Dozent. Die fundamentalistischen Muslime bezeichnen die Menschen im Westen als Kreuzfahrer. „Dieses Wort kommt aus Saudi-Arabien, wo ‚westlich’ und ‚Kreuzfahrer’ Synonyme sind“, erläutert er. Der islamische Fundamentalismus präsentiert den Zusammenprall zwischen den Zivilisationen als religiösen Zusammenprall – Islam gegen Christentum.
Das allerdings steht im Widerspruch zu unserem so genannten atheistischen Westen. „Können wir den Westen „christlich“ nennen?“ fragt Samir zu Recht. Der Westen wendet sich vom Christentum ab und will sich selbst nicht als christlich bezeichnet wissen. Und deshalb könne die Antwort des Westens weder als ein „Krieg des Christentums gegen den Islam definiert werden“ noch ein „Krieg gegen den Islam sein“, erläutert er. Es sei nötig, den islamischen Fundamentalismus zu bekämpfen, aber nicht den Islam. Darauf komme es an. Es sei falsch, mit dem Islam anti-christliche Zivilisation zu assimilieren.
Stattdessen brauche es eine friedliche Begegnung zwischen Muslimen und Christen und damit eine verstärkte „Auseinandersetzung, eine Konfrontation, eine Debatte mit dem Islam“, sagt Samir. Und diese könne sich „in eine Begegnung verwandeln, in ein gegenseitiges Sich-Bereichern.“
Die Beziehung und Auseinandersetzung muss „in Wahrheit und Klarheit“ stattfinden, erklärt der Theologe. Er bedauert, dass beispielsweise manche katholische Intellektuelle aus „Rücksicht“ auf den Islam die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die „Samen der Gewalt“ im Koran, die es zweifellos gibt, „mehr kultiviert worden sind als jene des Friedens“. Sie dienten damit weder dem Islam noch der Wahrheit.
Diese Botschaft des Koran gelte es zu reinigen, sagt Samir und appelliert an die Muslime, „den Koran als historisches Buch zu studieren und die westliche Unterscheidung zwischen Laizismus und Religion, zwischen Modernität und Glaube aufzunehmen“.
Das Christentum anbieten
Er geht aber noch einen Schritt weiter: Da ein Muslim entweder „westlicher Atheist“ ist oder „ein Muslim, der den Westen ablehnt“ – ein Dilemma, mit dem er in der Regel allein fertig werden muss -, schlägt Samir als möglichen Ausweg die Bekehrung zum Christentum vor. „Gelingt es einem Muslim nicht, seinen Glauben mit der Modernität zu verbinden, könnte er sich auch entschließen, Christ zu werden“. Das wäre nach Samir „eine würdige und wertvolle Entscheidung“.
Auch derartige Gedanken würden manche Bischöfe aus Angst und falscher religiöser Rücksichtnahme vereiteln, moniert Samir. „Es ist, als würden Priester und Bischöfe nicht verstehen, dass das Christentum die Fülle des Weges jeder Religion ist.“ Gerade die Rücksicht auf den anderen aber und aus Liebe zu der Herausforderung, den Glauben in der modernen Welt zu leben, sollte man soweit gehen, das Evangelium zu verkünden, fordert er.
Dann nämlich „werde ich vor allem versuchen, dem Muslim zu helfen, eine Verbindung zwischen Glauben und Modernität in seinem islamischen Glauben herzustellen“ und gegebenenfalls eben auch den christlichen Weg vorschlagen, sollte die Synthese nicht gelingen. Denn „es gibt nicht nur die Ablehnung der Modernität im Namen der Religion, oder die Ablehnung des Glaubens im Namen der Moderne: Es gibt auch den Weg der Einheit, den das Christentum und das Zeugnis der Christen anbietet.“